Digitaler Quellenschutz: Investigativ-Box

Briefkasten Symbolbild

Im digitalen Zeitalter wird es für Journalistinnen und Journalisten schwieriger, Quellen zu schützen. Dies ist insbesondere in der Schweiz ein Problem, weil die Schweiz immer noch keinen gesetzlichen Whistleblowerschutz kennt und sowohl der Nachrichtendienst als auch die Strafverfolgungsbehörden weitgehend digital überwachen dürfen.

Ist der Kontakt zwischen einer Quelle und der Redaktion hergestellt, können aufgrund von Best Practices sichere Kommunikationskanäle genutzt werden. Das können wir bei der Rundschau und das können auch andere Redaktionen in der Schweiz. Sensibel ist aber insbesondere der Erstkontakt zwischen Quellen und Redaktionen.

Um den Erstkontakt für Whistleblower und exponierte Inputgeber sicherer zu gestalten, habe ich für die Rundschau zusammen mit meinem Kollegen Roger Müller für den Kassensturz eine speziell gesicherte Plattform aufgesetzt für die Kontaktaufnahme mit den beiden Redaktionen. Wir haben die Plattform SRF Investigativ-Box genannt.

Die Meldeplattform ist für Informanten gedacht, die durch eine mögliche Enttarnung ihre eigene Stellung oder andere in ihrem Umfeld gefährden. Für normale Meldungen und Inputs an die Redaktionen betreiben wir weiterhin bestehende Kanäle der Rundschau und von Kassensturz.

Wir haben uns dagegen entschieden, eine eigene Lösung zu bauen. Die Entwicklung wäre teuer und der Unterhalt sehr aufwendig. Dazu kommt, dass die Herausforderung, die Sicherheit kontinuierlich im Griff zu haben, riesig ist. Deshalb haben wir uns für die Lösung eines spezialisierten Anbieters entschieden, der bereits die Meldeplattform des Beobachters implementierte. Zugang haben nur Rundschau und Kassensturz, die Daten unterstehen dem Redaktionsgeheimnis.

Die Plattform wird als Pilotprojekt für ein Jahr betrieben. Ich hoffe, dass wir damit Erfahrungen sammeln können, die allen Kolleginnen und Kollegen zugute kommen. Sicher ist: Auch diese Plattform bietet keinen 100-Prozentigen Schutz.

Unabhängig davon, ob SRF eine solche Lösung anbietet oder nicht, müssen wir redaktionsübergreifend daran arbeiten, dass das Redaktionsgeheimnis und die Medienfreiheit auch im digitalen Zeitalter nicht nur theoretisch durch die Verfassung garantiert sind sondern auch praktisch im Alltag umgesetzt werden können. Einen guten Ansatz liefert investigativ.ch mit einem Merkblatt für Informanten. Eine gute Alternative sind auch Wegwerf-E-Mail-Adressen.

Mehr Informationen über die SRF Investigativ-Box finden Sie hier. Und hier können Sie nachlesen, wie Sie mich kontaktieren können.

SBB-Chef Meyer: «Uf Wiederluege»

Screenshot von SBB-Chef Andreas Meyer im Interview mit SRF.

Meinem Kollegen Georg Humbel ist es gelungen, den Geschäftsführer der SBB, Andreas Meyer, für die Rundschau ausserhalb des gewohnten PR-Zirkus zu interviewen. Den hartnäckigen Fragen zur Verantwortung und zu seinem Millionenlohn versuchte Meyer auszuweichen. Die Antworten sind erstaunlich, sodass es sich lohnt, dieses Interview vom 15. Mai hier nochmals zu beleuchten und den Inhalt des Videos auch erstmals verschriftlicht wiederzugeben.

Rundschau: Herr Meyer, übernehmen Sie die Verantwortung für das Beschaffungsdebakel?

Meyer: Selbstverständlich brauchen wir den Zug, wollen wir den Zug. Wir haben ihn auch bestellt. Und wir werden jetzt mit Bombardier alles daran setzen, dass dieser Zug den Kunden schnell und zuverlässig zur Verfügung steht.

Für Sie ist es nicht ein Debakel?

Wie wir jetzt auch in der [Verkehrs-]Kommission besprochen haben: Das ist eine ganz mühsame Geschichte. Das ist eine Zangengeburt. Immerhin: Es ist ein ganz neuer Zug, der den Spezialanforderungen der Schweiz entspricht. Dieser Zug ist viel, viel, viel zu spät. Und jetzt sind wir in einer ganz normalen Inbetriebnahmephase, wenn man mal die Verspätungen weg lässt. Die Werte, die wir im Moment erzielen, also die Zuverlässigkeit des Zuges, steigt. Und ich bin zuversichtlich, dass wir ihn bald auf mehr Strecken einsetzen können.

Sie sagen ja schon lange, es werde besser. Sie haben schon vielmals versprochen, es komme jetzt, es klappe jetzt.

Die Versprechungen hat bisher Bombardier gemacht, die Lieferpläne. Ich möchte Bombardier in ihrem Optimismus und eigentlich recht konstruktiven Geist, wie sie versuchen, die Züge jetzt wirklich auch noch zu guten Zügen zu machen, nicht bremsen. Ich bin auch davon überzeugt… es hat schon andere Züge gegeben in der Schweiz, die Schwierigkeiten hatten in der Einführung. Ich bin überzeugt, dass man eines Tages den Zug als guten Zug loben wird. Er muss dann ja auch 40 Jahre im Einsatz sein.

Sie verdienen viel Geld. Sie verdienen über eine Million Franken. Mussten Sie sich vor den Parlamentariern nun auch rechtfertigen für euren hohen Lohn?

Die SBB hat ganz generell die Richtlinie, es wird niemandem der Lohn gekürzt, wenn die Performance stimmt und wenn die Anforderungen nicht weniger werden und das gilt auf allen Ebenen.

Sie sagten, wenn die Performance stimmt, aber der Zug ist ein Debakel.

Das ist eine der Herausforderungen, die die SBB hat. Auf Wiederschauen („Uf Wiederluege“), einen guten Tag.

Recherche zum SBB-«Pannenzug»

  • Der neue doppelstöckige SBB-Zug für den Fernverkehr («FV Dosto») ist bekannt als «Pannenzug» und sorgt seit Jahren für Probleme.
  • Jetzt zeigen Insider-Informationen, wo sich die erheblichen Mängel in der Produktion beim Hersteller Bombardier befinden.
  • Fachkundige Mitarbeiter von Bombardier aus der Schweiz erheben schwere Vorwürfe gegen das Management.
  • Die Züge würden bis heute fehlerhaft gefertigt. Mittelfristig sei gar die Sicherheit der Züge betroffen.
  • Experten rechnen damit, dass sich die Auslieferung der Züge noch weiter verspäten wird.

Die teuerste Beschaffung in der Geschichte des Schweizer Bahnbetriebs kommt nicht vom Fleck. Der neue Fernverkehrszug der SBB («FV Dosto») hat eine pannenreiche Geschichte hinter sich. Nun geben in der «Rundschau» Mitarbeiter erstmals Einblick in die aus ihrer Sicht fehlerhafte Produktion von Bombardier:

Unsachgemässe Metallbearbeitung führe dazu, dass die Wagen bereits nach kurzer Zeit rosteten. Schrauben würden nach «Heimwerker-Art» von Hand angezogen, was dazu führe, dass sie sich später im Verkehr lösen könnten.

In der Produktion fehle schlicht das nötige technische Wissen: «Die letzten Leute mit Know-how verlassen langsam aber sicher das Unternehmen oder wurden bereits entlassen.» Die vielen Temporär-Mitarbeiter blieben nur kurze Zeit und seien nicht genügend ausgebildet.

Warnung vor Sicherheitsproblemen

Bei Bombardier fehle zudem das nötige Werkzeug. «Uns fehlen Bohrer, Schraubmaschinen, Drehmomentschlüssel und Handwerkzeuge. Das ist Material, das wir zwingend brauchen.»

Die Arbeiter fühlen sich in ihrem Berufsstolz verletzt. Sie ärgern sich, dass sie weder das richtige Material und genügend Zeit, noch genug fähiges Personal bekommen. «Die Fehler wiederholen sich. Und sie finden diese in jedem einzelnen Fahrzeug.»

Die Mitarbeiter hoffen, dass sich nun endlich etwas ändert. Denn: «Auf lange Sicht wird es zu Sicherheitsproblemen kommen.» Die Insider berichten von einem Hochgeschwindigkeitstest in Osteuropa, bei dem sich eine Türe löste. «Sie ist während der Fahrt weggerissen und 700 Meter weit weggeschleudert worden.»

Bombardier bestätigt den Vorfall bei der Testfahrt, betont aber, dass dies im kommerziellen Betrieb nicht passieren könne.

Ursprünglich sollten 2013 die ersten «FV Dosto»-Züge verkehren. Immer wieder versprachen SBB und Bombardier neue Termine. Mittlerweile verspricht Bombardier die letzte Lieferung für 2021. Für die Mitarbeiter ist klar, dass auch dieser Termin nicht eingehalten werden kann.

Auch der deutsche Bahnexperte Hans Leister sieht den Plan als «nicht realistisch»: «Die Auslieferung des letzten Zuges wird wohl erst einige Jahre später zu haben sein.»

Bombardier weist Kritik zurück

Bombardier weist den Vorwurf fehlender Sicherheit zurück. Das Unternehmen betont, das Bundesamt für Verkehr (BAV) habe eine befristete Betriebsbewilligung für alle drei Zugtypen erteilt. Die eingesetzten Züge hätten bis heute mehr als 750‘000 Kilometer ohne einen einzigen sicherheitsrelevanten Vorfall zurückgelegt. Einzelne Abweichungen von Vorgaben seien in der industriellen Fertigung eine Realität und würden korrigiert.

Das Unternehmen habe hoch motivierte Mitarbeiter und investiere viel in deren Ausbildung und in die Qualitätssicherung. Weiter schreibt Bombardier, dass die Entwicklung der Züge «leider auch durch Dritte verzögert» worden sei.

Ergänzung nach der Ausstrahlung des Beitrags: Bombardier geht davon aus, dass die Tür bei der Testfahrt in Osteuropa maximal 70 statt 700 Meter entfernt zu liegen kam.

Dieser Artikel wurde erstmals auf srf.ch publiziert.

Nominiert für Swiss Press Award

Update: Am 24. April wurde ich zum Gewinner des Swiss Press Award 2019 in der Kategorie TV gekürt.

Eine grosse Ehre. Die Jury des Swiss Press Award hat mich dieses Jahr als Finalisten in der Kategorie Video nominiert. Ebenfalls nominiert sind die hervorragenden Arbeiten der Kollegen Thomas Vogel (Rundschau) und Jérôme Galichet und Anastase Liaros (Mise au point, Teamarbeit).

Inserat Swiss Press Award 2019

Ich wurde nominiert für meinen Bericht in der Rundschau über einen eindrücklichen Justizfall aus dem Kanton Solothurn („Die beste Freundin – ein Polizeispitzel“, ausgestrahlt am 22. August 2018). Es handelt sich dabei um eine meiner bis anhin aufwändigsten Recherchen. Eine Mutter, die verdächtigt wurde, ihr Kind erstickt zu haben, erlebt beinahe das gesamte Register an Zwangsmassnahmen. Bis hin zu einer umfangreichen, wohl noch nie da gewesenen verdeckten Ermittlung im Familienumfeld. Eine Ermittlerin freundet sich mit der Frau an, wird zur besten Freundin – und verschwindet von einem Tag auf den anderen, als der Anwalt der Frau misstrauisch wird. Das Verfahren gegen die Mutter wurde offiziell eingestellt. Gegen den Kindsvater wurde Anklage erhoben.

Den Beitrag gibt es hier in der Videothek von SRF zum Nachschauen. Eine Übersicht über alle Publikationen in Zusammenhang mit der Recherche habe ich hier zusammengestellt.

«Bei geheimen Zwangsmassnahmen ist die richterliche Kontrolle eher ein Feigenblatt, weil nicht beide Seiten angehört werden können» (Niklaus Oberholzer, Bundesrichter)

Die Nomination freut mich ausserordentlich. Vor allem darum, weil die Jury damit auf ein Thema aufmerksam macht, das sehr wichtig ist und gleichzeitig in der Öffentlichkeit viel zu wenig stattfindet. Zusammen mit meinen Kollegen Dominique Strebel und Timo Grossenbacher haben wir über den Einzelfall hinaus in einer umfassenden Recherche erstmals systematisch aufgezeigt, dass Ermittler in der Schweiz praktisch unkontrolliert arbeiten. «Bei geheimen Zwangsmassnahmen ist die richterliche Kontrolle eher ein Feigenblatt, weil nicht beide Seiten angehört werden können», kommentierte damals Bundesrichter Niklaus Oberholzer. Politiker der bundesparlamentarischen Rechtskommissionen wurden hellhörig und wollen das Thema bei der anstehenden Revision der Strafprozessordnung angehen, wie sie gegenüber der Tagesschau erklärten.

Die ersten diplomierten Datenjournalisten

Am 26. März 2019 durfte ich am Maz in Luzern mein Diplom CAS Datenjournalismus entgegennehmen. Ich bin stolz, zusammen mit meinen Kolleginnen und Kollegen die erste Klasse dieses neuen Lehrgangs absolviert zu haben. Ich gratuliere Peter Rohner, Finanz und Wirtschaft; Ralf Streule, St. Galler Tagblatt; Yannick Wiget, Tages-Anzeiger; Claudia Stahel, SRF Wirtschaft; Edzard Schade, HTW Chur; Lea Senn, Watson; Reto Fehr, Watson; Denise Jeitzinger, Tages-Anzeiger; Michael Heim, Handelszeitung; Jürg Candrian, Tages-Anzeiger; Priska Wallimann, Blick-Gruppe.

Bilanz 2018: Millionen-Betrug, geschwärzte Passagen und ein Krimi

Eine gute Portion Militär, eine Prise Postautoskandal und der Abschluss einer meiner aufwändigsten Recherchen. Meine Publikationen für das Publikum der Rundschau begannen 2018 mit einem EU-Geheimpapier und endeten bei einem Doppelportrait zweier gegensätzlicher Bundesratskandidaten.

Die letzte Recherche von 2017 übrigens, über den Widerstand gegen das E-Voting in der Schweiz, stand rückblickend am Anfang einer erstaunlichen Entwicklung. Dieses Jahr wurde das Thema rasant bekannt. Die Experten vom Chaos Computer Club um Volker Birk, der auch in besagtem Rundschaubeitrag auftrat, warnten in einer prominenten Berichterstattung bei SRF vor einer Sicherheitslücke mit dem das prominente Genfer E-Voting-System ausgetrickst werden kann.

Nicht wenig später gab die Genfer Regierung bekannt, ihr System nicht mehr weiter anzubieten. In den letzten Wochen dieses Jahres formierte sich dann plötzlich in zahlreichen Kantonen Widerstand gegen das E-Voting. Teils wegen Sicherheitsbedenken, aber vermehrt auch wegen der relativ hohen Kosten, die mit solchen IT-Projekten naturgemäss verbunden sind. Zu der jüngsten Entwicklung durfte ich für SRF News eine ergänzende Analyse liefern.

Waffenexportbericht: Was wir nicht wissen sollten

Im September kam ich erfreulicherweise in den Besitz der ungeschwärzten Fassung des heiss diskutierten Waffenexportberichts der Finanzkontrolle (EFK). Innert kurzer Zeit, bereits zwei Tage nachdem der geschwärzte Bericht publik wurde, konnte ich in der Rundschau exklusiv über das berichten, was unter den vielen schwarzen Balken verborgen lag. Nach der Publikation durfte ich für oeffentlichkeitsgesetz.ch eine Einschätzung aus Sicht des Öffentlichkeitsprinzips schreiben.

Der Bericht zeigt: Die Behörden geben bei fast allen Ausfuhrgesuchen für Kriegsmaterial grünes Licht. Bei Kontrollen in kritischen Ländern konnte jeweils nur ein kleiner Teil der gelieferten Rüstungsgüter verifiziert werden. Die Ruag wollte mit einem Umgehungsgeschäft Minenwerfer nach Katar exportieren.

Das Seco kritisiert den Bericht der EFK grundsätzlich. Er sei «eher einseitig, wenig differenzierend und einzelne Feststellungen erscheinen arbiträr».

Im ungeschwärzten und vertraulichen Waffenexportbericht findet sich eine Statistik zu den Ausfuhrgesuchen. Daraus wird klar, dass die Bundesverwaltung 2016 lediglich 29 Gesuche mit einem Wert von 17 Millionen abgelehnt hat. Dies gegenüber 2395 bewilligten Anträgen mit einem Volumen von 2195 Millionen Franken.

Seit 2012 führt das Seco Kontrollen zu den exportierten Rüstungsgütern durch, die sogenannten «Post Shipment Verifications». Die Kontrollen in den kritischen Ländern zeigen allerdings nur mässigen Erfolg, wie der ungeschwärzte Bericht dokumentiert. So konnten beispielsweise 2014 in Brasilien nur 11 von 26 Piranha-Panzer verifiziert werden, in der Ukraine nur 25 Prozent aller Gewehre. 2015 in Mexiko nur 113 von 500 Gewehren.

Das Seco schreibt zum Fall Mexiko: «Anhand von physischen Kontrollen, ergänzt durch fotographische Belege, hat das Seco gemeinsam mit Vertretern der Botschaft und aus dem VBS die Ausfuhr von Sturmgewehren in Mexiko umfassend kontrolliert, ohne dass sich dabei irgendwelche Hinweise ergaben, dass sich die Waffen nicht mehr beim Endempfänger befinden.»

Der Bericht zeigt weiter ein bisher unbekanntes geplantes Umgehungsgeschäft der Ruag. Das Schweizer Rüstungsunternehmen wollte Minenwerfer vom Typ «Cobra» via Finnland nach Katar exportieren. Exporte direkt nach Katar sind allerdings wegen des Jemenkriegs nicht erlaubt.

Geplant war eine Zusammenarbeit mit der Firma «Patria», welche die Minenwerfer in finnische Panzer montiert hätte. Das Geschäft wäre legal, weil der Bundesrat in einem geheimen Entscheid vom 25. Oktober 2000 eine sogenannte 50-Prozent-Regel eingeführt hat.

Ein Geschäft kann grundsätzlich bewilligt werden, wenn die Waffen bis zu 50 Prozent des Endprodukts ausmachen, auch wenn es bei einem Direktexport nicht bewilligt werden dürfte. Kurz vor der Sendung gab die Ruag auf Anfrage der Rundschau bekannt, sie habe das Projekt gestoppt und die Voranfrage für den Export beim Seco zurückgezogen.

U-Haft, V-Frau und Wanzen: Schwerpunkt-Recherche zu Zwangsmassnahmen

Eine meiner aufwändigsten Recherchen konnte ich dieses Jahr erfolgreich mit einer gross angelegten Publikation abschliessen. Für das Projekt konnte ich mit dem ehemaligen Justizberichterstatter Dominique Strebel und mit Timo Grossenbacher von SRF Data zusammenarbeiten.

Das Thema Zwangsmassnahmen beschäftigt und begleitet mich als Journalist schon länger. Ein relevantes Thema, das mehr Leute betrifft, als man denkt. Jeder Dritte, so die Schätzung, wird im Laufe seines Lebens in ein Strafverfahren verwickelt. Zwangsmassnahmen wie U-Haft, verdeckte Ermittlung, Abhören, etc. sind massive Eingriffe in das Privatleben. Und sie werden oft und häufig angewendet, um Verbrechen aufzuklären. Doch was geschieht mit den Verdächtigen, die ja eben auch unschuldig sein können? Und wie werden diese Eingriffe kontrolliert?

Schon seit Jahren führe ich immer wieder Hintergrund- und Recherchegespräche mit Betroffenen, Strafverteidigern, Staatsanwälten, Richterinnen, Strafverfolgerinnen, Professoren und vielen mehr. Im August konnten wir nun im Team nach mehrmonatigen intensiven Recherchen umfangreich auf SRF publizieren.

Unsere Berichterstattung zu Zwangsmassnahmen:

  • Gerichte bremsen Strafverfolger fast nie. Artikel mit den News: Richter bewilligen 97 Prozent aller Anträge von Staatsanwälten auf Telefonüberwachung, verdeckte Ermittlung oder U-Haft.
  • Die umfangreiche Umfrage in den Kantonen ist als Datensatz frei verfügbar publiziert.
  • Die Dunkelkammer der Justiz: Richter bewilligen Telefonüberwachungen und U-Haft so gut wie immer. Doch diese Entscheide halten die Gerichte geheim. Artikel mit Hintergrund und Einordnungen.
  • Aargauer Strafverfolger werden am häufigsten zurückgepfiffen. Wer im Kanton Aargau in U-Haft sitzt, hat viel grössere Chancen frei zu kommen als in anderen Kantonen. Regionaler Aspekt und Vergleich zwischen den Kantonen.
  • Bericht im Heute Morgen über die News und Einschätzungen aus journalistischer Sicht, wieso das Thema relevant ist.
  • Bericht in der Tagesschau über die Ergebnisse und politische Reaktionen.
  • Bericht in der Rundschau über einen eindrücklichen Fall aus dem Kanton Solothurn. Eine Mutter, die verdächtigt wurde, ihr Kind erstickt zu haben, erlebt das gesamte Register an Zwangsmassnahmen. Bis hin zu einer umfangreichen, wohl noch nie da gewesenen verdeckten Ermittlung. Eine Polizistin wird zur besten Freundin der Mutter.

Die Rundschau-Recherchen zum Postauto-Skandal

Die Postauto AG hat über Jahre illegal Gewinn erwirtschaftet. Erträge über 92 Millionen Franken haben Top-Kader aus dem subventionierten Regionalverkehr umgebucht und in anderen Sparten versteckt. Doch wie funktionierte der Bschiss auf den subventionierten Linien?

Erstmals kann dies die «Rundschau» an einem konkreten Fall aufzeigen. In Lyss, Kanton Bern, betrieb Postauto drei Jahre lang einen öffentlichen Ortsbus. Der Kanton und seine Gemeinden zahlten dafür über eine halbe Million Franken. Vertrauliche Dokumente von Postauto zeigen, dass die Manager von Postauto die Kosten gegenüber dem Kanton und der Gemeinde höher dargestellt haben als sie gemäss interner Schätzung wirklich waren.

In einer vertraulichen Kostenaufstellung steht klar, auf die Kosten werde noch ein «Ebit-Zuschlag von 5 % aufgerechnet». Ebit ist ein Fachausdruck für Gewinn. Diesen Gewinnzuschlag versteckten die verantwortlichen Postauto-Manager in den Kosten. Im entsprechenden Dokument steht: «Die erzielten Gewinne werden nicht ausgewiesen und verbleiben in der Aufwandskalkulation in gleicher Höhe.» Zum ersten Mal bestätigt sich damit auch die Vermutung kantonaler Verkehrsdirektoren, dass nebst dem Regionalverkehr auch der Ortsverkehr betroffen ist.

«Das muss Konsequenzen mit sich bringen»

Der Postauto-Skandal führte bereits letzte Woche zur Frühpensionierung des Postauto-Chefs Daniel Landolf. Und dem Finanzchef wurde die operative Verantwortung entzogen. Durch die Dokumente, die der «Rundschau» vorliegen, geraten nun weitere Top-Kader in Verbindung zur Gewinnpraxis. Die Post, das Bundesamt für Verkehr und die Verkehrsdirektion des Kantons Bern, wollten zum Fall keine Stellung nehmen.

Seit der «Blick» publik machte, dass Susanne Ruoff, die Chefin des Mutterkonzerns Post, seit 2013 über heikle Buchungen bei Postauto im Bild war, gerät auch sie ins Visier. Ruoff reagierte auf die Enthüllung und erklärte letzte Woche, dass sie von illegalem Handeln nichts gewusst habe.

In der «Rundschau» äussert sich der in Lyss wohnhafte Nationalrat Corrado Pardini (SP/BE). Die «Rundschau» zeigte ihm die frisierten Offerten für den Postauto-Ortsbus in Lyss. Er sagt: «Wenn das stimmt, ist das ein Skandal. Das geht in Richtung Betrug und muss Konsequenzen mit sich bringen. Von der obersten Post-Chefin bis zur Geschäftsleitung.»

Bundesamt für Verkehr: Jetzt spricht der Revisor

Nun äussert sich auch erstmals der Revisor des Bundesamtes für Verkehr, der den Millionen-Skandal aufdeckte, grundsätzlich zum Fall Postauto. Der 44-Jährige Pascal Stirnimann leitet als jüngster Sektionschef im Amt das dreiköpfige Revisions-Team.

Zusammen mit Kollege Heinz Rau sparte der diplomierte Wirtschaftsprüfer dem Steuerzahler mindestens 92 Millionen Franken Steuergelder durch seine Arbeit. Trotz dieser Leistung bleibt Stirnimann bescheiden: «Es gehört zum Berufsethos des Revisors, dass er sehr beharrlich ist, sehr skeptisch ist und sich nicht immer mit den ersten Antworten zufrieden gibt.»

Stirnimann sagt: «Was sicher auffällig war, ist die Systematik der Umbuchungen. Man hat über einen langen Zeitraum sehr viele Umbuchungen vorgenommen.» Die Revision deckte bei Postauto 18’000 bis 20’000 illegale Umbuchungen pro Jahr auf.

Stirnimann musste in seiner Prüfung gegen Widerstände von Seiten Postauto ankämpfen. Besonders beim Aktenzugang habe es «Meinungsverschiedenheiten» gegeben: «Es war sicher erschwerend, dass wir Mühe hatten, gewisse Unterlagen zu bekommen über einen längeren Zeitraum. Durch das Einschalten der Konzernleiterin haben wir volle Einsicht bekommen.»

Dieser Artikel wurde erstmals auf srf.ch publiziert.

Mit untauglichen Soldaten in den Informationskrieg

Viel Armee, viel Digitales und ein bisschen Spionage und Korruption. Meine Recherchen und Reportagen für das Rundschaupublikum begannen 2017 mit untauglichen Soldaten und führten zum Informationskrieg und Kampf um das E-Voting.