Neue Herausforderung: Von der Rundschau ins digitale Abenteuer

Blick nach vorne: Weg im Zürcher Kreis 5.

Vor über zehn Jahren wechselte ich von der Informatik in den Journalismus. Jetzt gehe ich den nächsten Schritt und kehre gleichzeitig zurück zu meinen Wurzeln. Ich darf mich künftig voll und ganz mit der Digitalisierung befassen – ein unglaublich relevantes Thema unserer Zeit.

Per 1. Juli trete ich eine neue Stelle an als Informationsbeauftragter mit Schwerpunkt Digitale Transformation der Bundesverwaltung bei der schweizerischen Bundeskanzlei in Bern (Sektion Kommunikation, Leiterin Ursula Eggenberger). Dabei werde ich den Bereich Digitale Transformation und IKT-Lenkung DTI kommunikativ unterstützen – eine schweizweit einmalige Herausforderung mit äusserst engagierten Kolleginnen und Kollegen.

Ich stosse zu einem spannenden und frischen Team. Das «DTI» unter der Leitung von Daniel Markwalder besteht seit Januar 2021 und soll die Digitalisierung der Bundesverwaltung vorantreiben – mitunter ein strategisches Ziel des Bundesrates.

Ich freue mich riesig, an dieser digitalen Schlüsselstelle mitzuwirken.

Nominiert für Swiss Press Award

Update: Am 24. April wurde ich zum Gewinner des Swiss Press Award 2019 in der Kategorie TV gekürt.

Eine grosse Ehre. Die Jury des Swiss Press Award hat mich dieses Jahr als Finalisten in der Kategorie Video nominiert. Ebenfalls nominiert sind die hervorragenden Arbeiten der Kollegen Thomas Vogel (Rundschau) und Jérôme Galichet und Anastase Liaros (Mise au point, Teamarbeit).

Inserat Swiss Press Award 2019

Ich wurde nominiert für meinen Bericht in der Rundschau über einen eindrücklichen Justizfall aus dem Kanton Solothurn („Die beste Freundin – ein Polizeispitzel“, ausgestrahlt am 22. August 2018). Es handelt sich dabei um eine meiner bis anhin aufwändigsten Recherchen. Eine Mutter, die verdächtigt wurde, ihr Kind erstickt zu haben, erlebt beinahe das gesamte Register an Zwangsmassnahmen. Bis hin zu einer umfangreichen, wohl noch nie da gewesenen verdeckten Ermittlung im Familienumfeld. Eine Ermittlerin freundet sich mit der Frau an, wird zur besten Freundin – und verschwindet von einem Tag auf den anderen, als der Anwalt der Frau misstrauisch wird. Das Verfahren gegen die Mutter wurde offiziell eingestellt. Gegen den Kindsvater wurde Anklage erhoben.

Den Beitrag gibt es hier in der Videothek von SRF zum Nachschauen. Eine Übersicht über alle Publikationen in Zusammenhang mit der Recherche habe ich hier zusammengestellt.

«Bei geheimen Zwangsmassnahmen ist die richterliche Kontrolle eher ein Feigenblatt, weil nicht beide Seiten angehört werden können» (Niklaus Oberholzer, Bundesrichter)

Die Nomination freut mich ausserordentlich. Vor allem darum, weil die Jury damit auf ein Thema aufmerksam macht, das sehr wichtig ist und gleichzeitig in der Öffentlichkeit viel zu wenig stattfindet. Zusammen mit meinen Kollegen Dominique Strebel und Timo Grossenbacher haben wir über den Einzelfall hinaus in einer umfassenden Recherche erstmals systematisch aufgezeigt, dass Ermittler in der Schweiz praktisch unkontrolliert arbeiten. «Bei geheimen Zwangsmassnahmen ist die richterliche Kontrolle eher ein Feigenblatt, weil nicht beide Seiten angehört werden können», kommentierte damals Bundesrichter Niklaus Oberholzer. Politiker der bundesparlamentarischen Rechtskommissionen wurden hellhörig und wollen das Thema bei der anstehenden Revision der Strafprozessordnung angehen, wie sie gegenüber der Tagesschau erklärten.

Was ich gelernt habe (Kapitel 1 von X)

Ein Sprung von einem Hochhaus auf das nächste. Eine beängstigende Vorstellung für die meisten. Doch kann ich mir gut vorstellen, dass ein solch gewagter Sprung auch neue Perspektiven aufzeigt. Zumindest im übertragenen Sinne stimmt dies für mich.

Kamera im Parlamentsgebäude 2021: Dreh im Bundeshaus

Ich habe in den letzten Jahren beim Schweizer Fernsehen und dem TV-Magazin Rundschau vieles gelernt. Dies ist Kapitel 1: Von Menschen und Maschinen.

Von Menschen.

Menschen sind ungemein wichtig für unsere Arbeit. Ich kann dies gut zeigen an zwei Recherchen und Geschichten.

Im August 2018 berichtete ich in der Rundschau über das unglaubliche Schicksal von Tanja. Die Mutter wurde verdächtigt, ihr Baby getötet und das zweite misshandelt zu haben. Der Staatsanwalt ging dabei so weit, dass er verdeckte Ermittlerinnen auf die Frau ansetzte. Eine Polizistin wurde gar zur besten Freundin von Tanja und rapportierte etwa ein Jahr lang in Dutzenden Amtsberichten, was Tanja sagte und machte, bis hin zu intimsten Details.*

Nach meinem ersten Kontakt verging eine lange Zeit bis Tanja von sich aus bereit war, ihre Geschichte zu erzählen. Über das Erlebte zu sprechen – und nicht zuletzt über den Tod des eigenen Kindes – war für die Mutter keine leichte Sache. Doch nur mit dem Mut dieser Frau konnte die Öffentlichkeit die Geschichte erfahren.

Zwei Jahre später, im August 2020, strahlte die Rundschau den Beitrag über Jacqueline Kummer aus. Eine Mutter, die jahrelang um ihr entführtes Kind kämpft – und dieses während der Dreharbeiten völlig überraschend wieder in die Arme schliessen kann. Auch hier verging eine lange Zeit, bis wir diese bewegende Geschichte erzählen konnten. Aus Sicherheitsgründen und aus Rücksicht auf die Tochter warteten wir über ein Jahr nach Ende der Dreharbeiten bis wir den Beitrag dann – mit einem Update – ausstrahlten.

Auch Jacqueline Kummer fiel es nicht leicht, über das Erlebte zu sprechen. Ihr war es sichtlich unangenehm, im Mittelpunkt zu stehen. Doch auch sie entschied sich, ihre Geschichte zu erzählen. Damit es andere Mütter vielleicht besser haben. Wenn vielleicht nur ein Kind nicht entführt werde, sagte sie mir, habe es sich gelohnt.

Diese beiden Geschichten zeigen, dass unsere Arbeit nur möglich ist, weil Menschen wie Tanja und Jaqueline sie erzählen. Ich habe grossen Respekt vor dem Mut dieser beiden Frauen.

Von Maschinen (und Menschen).

Als Informatiker wage ich mich gerne an komplizierte digitale Themen. Sei es E-Voting, Informationskriegsführung oder staatliche IT-Beschaffung. An solche Recherchen wagen sich nur wenige Journalistinnen. Sie sind aufwendig, schwierig zu erzählen und haben in der internen Konkurrenz oft einen schweren Stand.

Dabei ist gerade das eine grosse Chance. Wer sich weiterbildet in Informatik oder zu digitalen Themen und sich so Wissen aneignet, kann mit Themen punkten, an die sich andere nicht wagen. Und Redaktionen merken mehr und mehr, dass es digitalen Aufholbedarf gibt. Und sie merken vor allem, dass solche Beiträge, wenn sie richtig erzählt werden, auch beim Publikum gut ankommen.

Die Krux liegt an zwei Orten – und wer diese beherrscht, dem öffnet sich eine faszinierende und riesige Welt. Zum einen ist da die Übersetzungsarbeit: Ihr müsst genug von Informatik verstehen, um das Thema so zu übersetzen, dass es die Öffentlichkeit versteht. Zum anderen ist da das Casting. Es gilt die richtigen Personen zu finden, die helfen, das Thema zu begreifen und die Geschichte zu erzählen. In anderen Themenfeldern ist das auch wichtig, doch gerade bei digitalen Themen, bei IT-Themen fällt es viel stärker ins Gewicht, weil wir uns in einer logischen Welt und nicht in einer erlebbaren Welt bewegen. Zuschauerinnen erfassen, was sie erleben können. Daher liegt der Schlüssel in der Erlebniswelt der Protagonistinnen. Sie bringen den Zugang. Am Ende geht es bei Maschinen eben auch um Menschen.

So viel zu meinen Zwischengedanken auf dem Sprung von einem Hochhaus aufs nächste. Ich freue mich auf Kommentare, Ergänzungen und Kritik 🙂


* Tanja heisst nicht wirklich so, dieser Name wurde ihr zum Schutz ihrer Privatsphäre gegeben. Der richtige Name ist mir bekannt. Das Verfahren gegen die Frau wurde eingestellt, was einem Freispruch entspricht. Ihr Ex-Mann wurde kürzlich in erster Instanz freigesprochen. Dieses Verfahren ist noch hängig. Ganzes Dossier über die Recherche ist hier zugänglich.

Was kommt nun? Lust auf die nächste Herausforderung!

Blick nach draussen: Aussicht vom SRF-Gebäude in Zürich Leutschenbach

Per Ende April verlasse ich die Rundschau und SRF. Was ich danach mache, weiss ich noch nicht. Nach einer spannenden Zeit – über fünf Jahre in der besten Recherche-Redaktion der Schweiz – verspüre ich Lust auf etwas Neues und möchte mich weiterentwickeln. Bei der Rundschau konnte ich mit aufwendigen Recherchen und Polit-Stücken einiges anstossen, mich im Datenjournalismus weiterbilden und gleichzeitig helfen, spannende Projekte umzusetzen wie zuletzt die Whistleblowerplattform SRF Investigativ-Box. Wenn ich zurückblicke, war die Auszeichnung mit dem Swiss Press Award 2019 in der Kategorie TV sicher eine ganz spezielle Ehre für mich und das ganze Team der Rundschau.

Ich bin offen für Kontakte, Netzwerk aber auch konkrete Projekte: Kontakt direkt.

Die Finanzmanöver der Ruag

In der «Rundschau» konnte ich anhand eines vertraulichen Prüfberichts aufzeigen, wie die staatliche Rüstungsfirma Ruag dem VBS zu viel verrechnete. Millionen flossen ins Marketing.

Ein jahrelanger Streit um den Wartungsauftrag von Helikoptern und Flugzeugen der Schweizer Luftwaffe schien eigentlich erledigt. Die Finanzkontrolle EFK stellte 2019 fest: Die Ruag verrechnete dem VBS zu viel für den Auftrag.

Die «Rundschau» kann erstmals Details aus dem vertraulichen Bericht dieser Prüfung, Link öffnet in einem neuen Fenster veröffentlichen. Jetzt wird klar, dass die Ruag von 2013 bis 2017 mit der VBS-Flugwartung einen Bruttogewinn von über 300 Millionen erzielte – diesen aber mit diversen Kostenblöcken auf einen Ertrag von rund 90 Millionen gesenkt hat.

Dadurch wies die Ruag einen Gewinn von rund acht Prozent aus. Mehr Gewinn durfte die Ruag mit dem Monopolgeschäft nicht erwirtschaften.

Auch wenn laut EFK alles legal und vertragskonform ablief: Bis zu einem Drittel dieser Aufwände hätte gar nicht dem VBS zugeordnet werden sollen. Der grösste Block fällt dabei auf den Bereich «Marketing und Verkauf», wo bis zu gut 40 von 50 Millionen Franken «nicht verursachergerecht» dem VBS in Rechnung gestellt wurden.

Singapur, Australien oder Paris

Dazu gehören Kosten für internationale Flugshows in Singapur, Australien oder Paris. Aber auch Sponsoring von Veranstaltungen wie «Air 14» oder Organisationen wie das Militärflugzeugmuseum in Payerne. Die Ruag begründete dies mit der Möglichkeit der Kunden- und Lieferantenpflege.

Erstmals lässt sich nun auch die Querfinanzierung des Zivil-Flugzeuges Dornier 228 beziffern. Laut EFK hat der Bund mit seinem Wartungsauftrag indirekt mindestens 6.5 Millionen in das mutmasslich defizitäre Unterfangen bezahlt.

Der Bericht zeigt weiter, dass die Ruag dem Bund darüber hinaus nicht effektiv angefallene Kosten auswies, sondern theoretische Werte: «Das Margenreporting der Ruag an das VBS beruht auf kalkulatorischer Basis und zeigt (…) keine Nachkalkulation zu Ist-Werten.»

Bundesanwaltschaft stellt Verfahren ein

SVP-Nationalrat Pirmin Schwander und SP-Nationalrätin Priska Seiler Graf fordern im SRF eine politische Aufarbeitung. Schwander sagt: «Ich erwarte, dass man jetzt alles nochmals anschaut. Wie konnte das passieren, wie wurde es gemacht? Und wie sind die Prozesse im Einzelnen verbessert worden.» Seiler Graf, in der Geschäftsprüfungskommission GPK zuständig für die Ruag, pflichtet bei: «Es braucht eine politische Auswertung und das wäre die Aufgabe der GPK.»

Derweil gibt die Bundesanwaltschaft BA auf Anfrage der «Rundschau» bekannt, dass sie ihre Untersuchung gegen Unbekannt im Fall Ruag eingestellt hat. Die BA bestätigt in der Einstellungsverfügung zwar, dass Kosten in Rechnung gestellt wurden, die das VBS nicht betreffen. Und ein ehemaliges Mitglied der Ruag-Geschäftsleitung gab der BA zu Protokoll, er schätze, dass in seinem Bereich die Kosten «um ca. 30 bis 40% tiefer waren, als der dem VBS in Rechnung gestellte Betrag».

Der zuständige Bundesanwalt Carlo Bulletti konnte aber keinen hinreichenden Tatverdacht für Betrug oder ungetreue Amtsführung feststellen. In der Verfügung steht: «Es ist davon auszugehen, dass der Eidgenossenschaft mithin kein Schaden entstanden ist.»

Das sagen Ruag und VBS: Da die Ruag aufgespalten wurde, halten die beiden neu geschaffenen Firmen Ruag MRO Holding AG und Ruag International Holding AG in einer gemeinsamen Stellungnahme gegenüber SRF fest: «In ihrer Prüfung hat die EFK bestätigt, dass sich der damalige Ruag-Konzern bei der Fakturierung für Leistungen zu Gunsten des VBS an alle bestehenden Verträge gehalten hat.» Die Ruag betonte damals, dass keine Manipulationen bei den Buchungen festgestellt worden seien. Auch sei das Kalkulationsschema mehrfach geprüft und immer gutgeheissen worden. Die Vertragsverhandlungen für den nächsten Vertrag mit dem VBS (2023 bis 2027) würden dieses Jahr beginnen, wie die Firmen mitteilen. Dabei würden «die Erkenntnisse der EFK berücksichtigt». Das Verteidigungsdepartement VBS verweist ebenfalls auf die Aufspaltung. Damit seien Querfinanzierungen «zwischen dem Schweizer und dem internationalen Geschäft ausgeschlossen». Überdies seien die Erkenntnisse des EFK-Berichts in den strategischen Zielen des Bundesrats für die Ruag aufgenommen worden. «Unter anderem geben die strategischen Ziele neu vor, dass in der Kostenrechnung die Kosten der Ruag Schweiz so weit wie möglich nach dem Verursacherprinzip auf das Armee- und das Drittgeschäft (…) zu verteilen sind und dass das Einhalten dieser Grundsätze jährlich durch die externe Revisionsstelle geprüft wird.» Da die Jahresberichterstattung für das Jahr 2020 noch nicht abgeschlossen sei, würden dazu noch keine Erkenntnisse vorliegen.

Schweizer Staatsbetriebe zahlen Boni trotz Krise

Verzichten Firmen aufgrund der Pandemie auf Vergütungen und Boni? Die «Rundschau» hat bei 31 bundesnahen Unternehmen nachgefragt: Demnach sehen 20 Unternehmen in der Regel einen Bonus vor und haben mit Ausnahme des Spezialfalls Postauto auch dieses Jahr einen solchen ausbezahlt.

Boni oder keine Boni? Ausschnitt einer Liste von Unternehmen auf srf.ch

Nur ein Unternehmen gibt an, den Bonus zumindest gekürzt zu haben. Das stark vom Einbruch der Flugtätigkeit betroffene Unternehmen Skyguide hat laut eigenen Angaben den variablen Lohn um 25 Prozent gekürzt, sowohl für die Geschäftsleitung als auch für das Management.

Unter Boni werden Nebenleistungen zusammengefasst, die im Kaderlohnreporting des Bundes aufgeführt sind als «Einmalzahlungen variabler Leistungskomponenten, Erfolgsanteile, Bonifikationen usw.». Solche Zahlungen werden meist im Folgejahr ausbezahlt. Das heisst, dass die in diesem Jahr ausbezahlten Boni in der Regel das Geschäftsjahr 2019 betreffen. Boni erhalten eine besondere Bedeutung bei bundesnahen Betrieben, weil sie in der Regel entweder voll oder teilweise dem Staat gehören oder mit öffentlichen Geldern mitfinanziert werden. In weiteren Fällen, zum Beispiel die Suva, erfüllen sie einen öffentlichen Auftrag.

Kurzarbeit für sechs Firmen

Sechs der 31 Unternehmen beziehen laut Umfrage auch Kurzarbeitsgelder. Bei Post, SBB und Swisscom betrifft dies Tochtergesellschaften wie die SBB Cargo oder die SecurePost AG. Skyguide, SRG und Ruag International haben direkt Kurzarbeit bezogen. Hilfsgelder des Staates in Millionen-Höhe erhalten Skyguide, Postauto und SBB.

Die Liste der angefragten Unternehmen ist auf srf.ch veröffentlicht.

Was den nächsten Bonus angeht, also jenen für das Corona-Krisenjahr 2020, gibt nur ein bundesnaher Betrieb an, auf den Bonus für die Geschäftsleitung zu verzichten. Dies ist Schweiz Tourismus. Markus Berger, Leiter Unternehmenskommunikation, schreibt auf Anfrage, man werde «aus Solidarität mit der vom Coronavirus extrem hart betroffenen Tourismusbranche» auf die Auszahlung von Boni oder Erfolgsprämien verzichten. Es gehe auch darum, maximal verfügbare Mittel in die Massnahmen zur Wiederankurbelung des Tourismus fliessen zu lassen.

SBB-Chefs wollen auf Lohnanteile verzichten

Die Schweizerischen Bundesbahnen SBB erklären auf Anfrage, ihre Geschäftsleitung wolle freiwillig auf zehn Prozent des variablen Lohnanteils für 2020 verzichten. Dies sei bereits vor der zweiten Corona-Welle von der Konzernleitung beschlossen worden. Die Situation werde laufend beobachtet, darüber entschieden werde im Februar 2021. Nimmt man die letzte Vergütung als Anhaltspunkt, hätte das für den damaligen SBB-Direktor bei einem Bonus von gut 230’000 Franken 23’000 Franken ausgemacht. Dies bei einem Fixlohn von damals gut 640’000 Franken.

Ebenfalls neu keinen Bonus erhält die Geschäftsleitung der Revisionsaufsichtsbehörde RAB. Allerdings nicht aufgrund Corona. Der Verwaltungsrat habe dies «schon vor einiger Zeit» beschlossen, wie Direktor ad interim Reto Sanwald sagt. «Die Wirkung variabler Lohnbestandteile ist tendenziell nicht sehr nachhaltig», so Sanwald.

Anmerkung: Die Suva hält fest, sie sei ein selbstständiges, nicht gewinnorientiertes Unternehmen des öffentlichen Rechts. Sie arbeite selbsttragend und erhalte keine öffentlichen Gelder.

Dieser Artikel wurde erstmals auf srf.ch publiziert.

Transparenzbericht als PR?

Von Florian Imbach*

Der jährliche „Projektbericht VBS“ des Verteidigungsdepartement VBS wurde von Bundesrat Guy Parmelin 2017 eingeführt. Es ist ein wichtiges, wenn nicht das wichtigste, Transparenzvorhaben des VBS.

Wie andere Journalistinnen und Experten wies auch ich auf die mangelhafte Transparenz des jüngsten Berichts hin. So fehlen beispielsweise die „Problemprojekte“ Duro und Mörser.

Einen solchen „Transparenzbericht“, schrieb ich auf Twitter, in dem man kritische Projekte einfach weglässt, könne man sich auch sparen.

Nun hat die Schweizerische Armeezeitschrift ASMZ in ihrer aktuellen Ausgabe das gesamte Vorhaben „Projektberichte VBS“ analysiert und eine ernüchternde Bilanz gezogen (Titel: „Mangelhafte objektive Information“).

Die ASMZ stellt im Artikel die Frage in den Raum, ob die Berichte nicht gar „ein blosses PR-Instrument“ seien. Die wichtigsten Kritikpunkte des Fachmagazins:

  • „Fragwürdige Auswahl“: Die Auswahl geschehe anhand von „weichen oder subjektiven Kriterien“. Das VBS bestätigt gegenüber der ASMZ, es „bestünden keine definierte, objektive Schwellenwerte“, ab wann ein Projekt aufgeführt werde und räumt sogar ein, dass „das politische und öffentliche Interesse“ ein Kriterium sei, obwohl dieses im Bericht nicht als Kriterium aufgeführt ist. Die ASMZ kritisiert, dass „damit erheblicher Interpretationsspielraum [bestehe], welche Projekte in den Bericht aufgenommen (…) werden.“ Und stellt die Frage: „Wo bleibt da der objektive Fürsprecher der Öffentlichkeit?“ Zumal die ASMZ herausfand, dass „zahlreiche Auswahlinstanzen“ bei der Auswahl mitreden (SIK, GPK, FK, FinDel), obwohl auch dies im Bericht nicht transparent gemacht wird.
  • Wenig aussagekräftige Beurteilungen: Die Projekte werden nach „offen“, „plangemäss“, „knapp“ und „ungenügend“ beurteilt. Wie kommen die Beurteilungen zustande? „Erkundigt man sich (…) beim VBS nach der konkreten Messung und den einzelnen Schwellenwerten, so erhält man wenig hilfreiche Präzisierungen“, stellt die ASMZ fest. Nachfragen beim VBS hätten ergeben, „dass sehr vieles auf ’systematischen Selbsteinschätzungen‘ bzw. einem ‚Self-Assessment beruhe.“ Die ASMZ stellt weiter fest, dass in den vier Jahren noch kein einziges Mal ein „ungenügend“ ausgesprochen worden sei, 2019 habe es lediglich zwei „offene“ Projekte gegeben. „Somit reduziert sich die Beurteilung auf bloss zwei schwammige Stufen, was den Informationsgehalt nicht gerade fördert“, so die Zeitschrift.
  • Lückenhafter Bericht bis hin zur Schönfärberei: Die ASMZ stellt fest, dass die beiden Top-Projekte „Werterhaltung Duro“ (558 Mio.) und „Beschaffung Mörser“ (404 Mio.) trotz klarer Erfüllung der Aufnahmekriterien nicht aufgeführt sind. Die Zeitschrift hat nach eigenen Angaben als erste auf diesen Mangel hingewiesen. Einen happigen Vorwurf erhebt der Artikel beim Drohnenprojekt „ADS“ (250 Mio.). Dieses Projekt sei als „offen“ eingestuft worden obwohl es gemäss Kriterien klar als „ungenügend“ hätte beurteilt werden müssen. Für das Drohnenprojekt muss das VBS nämlich beim Parlament einen Nachtragskredit beantragen. Gemäss der Definition der VBS entspreche das klar einem „ungenügend“ („Planabweichung“, respektive „Berichtigung durch Entscheidung übergeordnete Instanz“). Die ASMZ hält fest: „Trotz dieser klaren Ausgangslage wird das Vorhaben (…) bei den Finanzen als ‚knapp‘ statt ‚genügend‘ beurteilt.“ Und stellt nach einem weiteren fragwürdigen Beispiel im Text die (vermutlich rhetorische) Frage: „Machen solche Projektbeurteilungen Sinn?“

Offenbar soll beim nächsten Projektbericht die Auswahl nachvollziehbarer geschehen, wie das VBS gegenüber der ASMZ erklärt. Die Kriterien sollen straffer und objektiver werden. Das Fazit der ASMZ: „Die Idee des Projektberichts VBS verdient Anerkennung und Unterstützung. Zur Erreichung der Hauptziele besteht jedoch noch erheblich Luft nach oben.“

Den hier zitierten Artikel gibt es in der aktuellen ASMZ nachzulesen, Nr. 08 – August 2020 S.24-25.

* Florian Imbach arbeitet als Redaktor bei der „Rundschau“ von SRF in Zürich und Bern und unterrichtet Recherche an der Journalistenschule MAZ in Luzern.

Edit nach der Publikation: Autorenzeile und Autorenbeschreibung eingefügt.

Kein Dementi ist kein Dementi

Screenshot des NZZ am Sonntag Artikels über die mutmasslichen Pläne von On.

Von Florian Imbach*

Das Gegenüber von Journalistinnen und Journalisten verhält sich in der Regel traditionell kooperativ. Das heisst: Wir konfrontieren, sie nehmen Stellung, wir lassen das Gegenüber im Text oder im Beitrag fair zu Wort kommen und publizieren.

Reagiert das Gegenüber mit einem Dementi, wird es komplizierter. Vielleicht lässt man dann die Berichterstattung bleiben. Oder die Recherche ist wasserdicht, man hat mehrere unabhängige Quellen und bringt die Recherche trotzdem – inklusive Dementi. Aussage gegen Aussage.

Kompetitiv statt kooperativ

Die Reaktion der Schuhfirma „On“ im aktuellen Beispiel „NZZaS vs. On“ zeigt ein alternatives Vorgehen. Ich habe hier versucht, den Ablauf anhand öffentlicher Quellen aufzuzeigen.

Um was geht es? Die „NZZ am Sonntag“ recherchierte, dass „On“ den Börsengang plane.

Die junge Zürcher Firma – sie feierte gerade ihr 10-jähriges Bestehen – strebt den Gang an die Börse an, wie Recherchen zeigen. Mehrere voneinander unabhängige Quellen bestätigen, dass erste Vorbereitungen getroffen wurden. Sie sind noch in einem frühen Stadium. Angestrebt wird dem Vernehmen nach ein Termin im Sommer oder Herbst 2021.

Artikel NZZaS vom 11.7.2020

Die NZZaS hatte nach eigenen Angaben eine solide Quellenlage und konfrontierte „On“ am Freitag vor der Publikation mit der Recherche (siehe persoenlich.com). Die Schuhfirma hätte also am Freitag oder Samstag gegenüber der NZZaS dementieren können.

Dementi folgt nach Publikation

Wie aus dem am Sonntag publizierten Artikel der Zeitung hervorgeht, dementierte „On“ nicht. Im Artikel steht: „Auf Anfrage kommentieren weder Federer noch On diese Recherchen.“ Das Vorgehen von „On“ war es offenbar, in einem ersten Schritt gegenüber dem Rechercheur nicht weiter zu kommentieren.

Am Tag nach der Publikation und somit drei Tage nach der Konfrontation folgte das Dementi. „On“ spricht von einer „klaren Falschmeldung“. Diese Message verbreitet die Firma via Konkurrenzmedium „20 Minuten“. Der entsprechende Artikel titelt: „Sneaker-Firma On dementiert Börsengang.“

«Die Spekulationen in der Sonntagspresse stimmen nicht», teilt David Allemann, Mitbegründer von On, 20 Minuten mit. Die Firma habe keine Pläne für einen Börsengang im nächsten Jahr.

Artikel 20 Minuten, 12.7.2020

Doch was wird hier genau dementiert? Der Schuhfirma-Mitbegründer dementiert im Artikel „einen Börsengang im nächsten Jahr“. Dass ein Börsengang zu einem anderen Zeitpunkt denkbar sei, steht auch im Artikel von „20 Minuten“ weiter unten (Zitat Experte: „Künftiger Börsengang nicht auszuschliessen“).

Die NZZaS reagierte gleichentags auf das Dementi und hielt ihrerseits fest:

Der Artikel stützt sich auf mehrere zuverlässige Quellen. Demnach ist ein Börsengang Thema im Unternehmen und sind gemäss diesen Quellen erste Schritte in die Wege geleitet worden. Wie konkret diese sind, darüber gibt es unterschiedliche Darstellungen.

Nachtrag zum Artikel NZZaS vom 11.7.2020

Die NZZaS hält an ihrer Berichterstattung fest. Und „On“ schliesst mit ihrem Wording gegenüber „20 Minuten“ einen Börsengang auch nicht kategorisch aus, sondern dementiert namentlich Pläne für einen Börsengang „im nächsten Jahr“. Am Ende könnte aber trotzdem der Eindruck entstehen, dass die Recherche nicht stimme.

Hohe Reichweite und mehr Gewicht

Was sind weitere mögliche Folgen des Vorgehens?

1.) Der Fokus der nachträglichen eigenen Kommunikation von „On“ via „20 Minuten“ liegt auf dem Dementi (Titel: „Sneaker-Firma On dementiert Börsengang“). Diese Message erreicht mit Push-Meldung von „20 Minuten“ eine hohe Reichweite.

2.) Als eigene „Story“ erhält die Kommunikation der Schuhfirma mehr Gewicht als sie es mutmasslich bei einer traditionellen Stellungnahme erhalten hätte. Gleichzeitig erhält aber auch die Recherche der NZZaS mehr Gewicht. Das Hin und Her macht die Angelegenheit zu einer potentiell noch grösseren Geschichte.

3.) Gemäss Nachtrag zum NZZaS-Artikel hat die NZZaS erst durch die Publikation im Konkurrenzmedium vom nachträglichen Dementi erfahren. Die Rechercheure wurden also mutmasslich überrumpelt und gerieten dadurch in die Defensive.

Mehr und mehr reagieren Gegenüber von Journalistinnen und Journalisten nicht mehr klassisch, sondern mit einem alternativen Vorgehen (siehe z.B. auch „Axsana vs. Tages-Anzeiger“, das Gegenüber veröffentlichte den Mailverkehr mit dem Journalisten Dominik Feusi integral auf ihrer Internetseite).

Als investigative Journalistin oder investigativer Journalist lohnt es sich, aus dem Vorgehen im Fall „NZZaS vs. On“ Schlüsse für eigene Recherchen zu ziehen und sich entsprechend vorzubereiten.


* Florian Imbach arbeitet als Redaktor bei der „Rundschau“ von SRF in Zürich und Bern und unterrichtet Recherche an der Journalistenschule MAZ in Luzern. Interessenbindung: Florian Imbach hat mit dem Autor des NZZaS-Artikels studiert und ist mit ihm befreundet.

Bilanz 2019: Armee und SBB

Das vergangene Jahr stand bei mir unter dem Motto „Armee und SBB“, könnte man meinen. Gut, eine Portion Postauto und Politik waren schon noch dabei. Hier die Liste meiner Rundschau-Beiträge:

2019 erhielt ich den Swiss Press Award für meinen Beitrag „Die beste Freundin – ein Polizeispitzel“. Der Beitrag wurde zudem mit einem Medienpreis des Schweizerischen Anwaltsverband SAV geehrt.

Grosses Thema war für mich die Lancierung des Pilotprojekts „SRF Investigativ-Box“. Mehr dazu hier. Der Beitrag in der Rundschau anlässlich der Lancierung: