Der Luzerner Internet-Report: Was Beamte im Internet so treiben

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Erschienen im SonntagsBlick vom 8. März 2015

Von Florian Imbach und Philippe Pfister

Ein vertraulicher Bericht aus dem Kanton Luzern zeigt: Staatsangestellte gucken TV und surfen auf Facebook, statt zu arbeiten. Auch sehr beliebt: Pornos.

Die Steuerzahler im Land werden kaum begeistert sein. Ein vertraulicher Bericht aus dem Kanton Luzern zeigt erstmals im Detail, wie Staatsangestellte ihre Zeit im Internet vertrödeln. Die Analyse, die SonntagsBlick vorliegt, stellt einen «sehr hohen Anteil» an «unproduktivem Verkehr» fest. Nur 51,7 Prozent der Seitenaufrufe sind geschäftlich. Der Rest, also rund die Hälfte, geht für privates Surfen drauf.

Für die Analyse untersuchte eine Informatikfirma im Frühjahr 2010 während dreier Monate den gesamten Internetverkehr der Luzerner Verwaltung. 4500 Beamte mit Internetanschluss wurden erfasst. Welche Massnahmen die Regierung inzwischen getroffen hat, bleibt vage. Spätere Messungen hält sie unter Verschluss. Einen Katalog von 15 Fragen beantwortete der Kanton nur summarisch.

Die Analyse gibt der Öffentlichkeit erstmals einen Einblick in das Surfverhalten einer Verwaltung. Während der Arbeitszeit gucken viele Angestellte TV, sie erledigen Zahlungen, besuchen Dating-Seiten, kaufen und verkaufen private Ware. Und: Sie nutzen Facebook intensiv, während Firmen wie Mobiliar und Raiffeisen den Zugang längst gesperrt haben.

Weil gerade Online-TV grosse Datenmengen frisst, belegte die private Nutzung zum Untersuchungszeitpunkt mehr als 60 Prozent des Luzerner Internetverkehrs. Auf einer Infrastruktur, die vom Steuerzahler finanziert wird. Informatik-Experte Guido Rudolphi (53): «Da frage ich mich, wofür die Luzerner Beamten bezahlt werden. Bei einer Bank wären solche Leute in null Komma nichts entlassen.»

500 Zugriffe auf Pornoseiten – pro Tag

Das private Vergnügen am Arbeitsplatz scheint aber nicht beim TV aufzuhören. Gemäss Analyse führte jeder zwanzigste Klick auf harte Porno- und Gewaltseiten sowie Hackerforen. Die Spezialisten schreiben im Bericht von «gezieltem Surfen auf Websites mit pornographischem Inhalt». 3,6 Millionen Einzelaufrufe («Hits») führten während der drei Monate auf Pornoseiten. Konservativ gerechnet – weil ein Klick auf eine Seite mehrere Einzelaufrufe auslöst – wurden 500-mal pro Tag Pornoseiten aufgerufen. Besonders beliebt bei den Luzernern: die Gratis-Pornoseite Youporn.

Experte Rudolphi sagt: «Das sind nicht einfach ein paar Lehrlinge, die Seich machen. In der Regel geht der Pornokonsum durch alle Schichten des Managements, bis nach oben. Dies zeigen auch die hohen Zugriffszahlen aus Luzern.»

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Ausschnitte aus dem vertraulichen Internet-Bericht

Als Folge der Analyse richtete die Verwaltung eine Sperre für Sex-, Porno- und Gewaltseiten ein. Auch die Seite Youporn ist laut Kantonssprecher Andreas Töns (46) heute gesperrt: «Sex- und Pornoseiten sind nicht mehr zugänglich.» Wann die Sperren genau eingeführt wurden, will die Verwaltung nicht sagen. Sie sieht die Resultate der Analyse nicht so dramatisch. Sprecher Töns schreibt: «Das Internet ist ein alltägliches Arbeitsinstrument aller öffentlichen Verwaltungen. Der allgemeine Zugriff für die Mitarbeitenden muss möglich sein.»

Verwaltungen legen keine Statistiken vor

Ein grosser Teil des privaten Internetzugriffs entfalle auf Pausen- und Randzeiten. «Dies ist zulässig, sofern es den Dienstbetrieb nicht erschwert.» Die Mitarbeitenden würden regelmässig über die Bestimmungen für die Nutzung der Informatikmittel informiert. «Die missbräuchliche Nutzung ist nicht gestattet. Verdachtsfälle wurden und werden verfolgt und entsprechend sanktioniert.» Die Kontrolle sei Sache «aller Führungskräfte der kantonalen Verwaltung».

Ob extensives privates Surfen auch bei anderen Verwaltungen eingerissen hat, lässt sich nicht abschliessend beantworten. Der Verdacht liegt auf der Hand, dass das Problem andernorts genauso besteht. Eine Umfrage bei zehn grossen Kantonen und der Bundesverwaltung zeigt, dass keine der Behörden ausweisen kann, wie viel ihre Mitarbeiter privat surfen und wie oft sie sich auf Pornoseiten tummeln.

Susanne Sorg (60), Sprecherin der grössten kantonalen Verwaltung in Zürich, sagt: «Wir beobachten die allgemeine Internetnutzung dauernd. Die Zugriffsstatistik gab bisher nicht Anlass zu einschränkenden Massnahmen.»

Privates Surfen duldet Zürich genauso wie alle anderen angefragten Verwaltungen, die allesamt an die Vernunft ihrer Mitarbeiter appellieren (siehe Tabelle, Seite 4). Dazu Sorg: «Unsere Mitarbeiter sind gehalten, die private Internetnutzung auf ein Minimum zu reduzieren und nur während den Pausen oder über Mittag privat zu surfen.»

Diese Einschränkung alleine reicht freilich nicht. Für Umberto Annino (38), Berater beim Sicherheitsdienstleister Infoguard, ist die Sperrung einschlägiger Seiten eine «unbedingte Notwendigkeit»: «Bei Hochrisiko-Bereichen gibt es keine Diskussion.» Es erstaunt deshalb, dass Luzern kritische Seiten offenbar erst seit kurzem blockiert. Zürich sperrt schon lange, andere Kantone verzichten weiter darauf: zum Beispiel Basel-Stadt und Zug.

Leichtsinn macht es Hackern leicht

Freier Zugang aber bedeutet ein hohes Risiko, wie der Luzerner Bericht zeigt. Er stellt einen hohen Anteil an «kritischem Verkehr» fest – Zugriffe auf virenverseuchte Seiten, Hackerforen, illegale Download-Seiten. Rudolphi: «Ein Sicherheitsrisiko par excellence! Hacker können sich zurücklehnen, ein Beamter erledigt die Arbeit für sie. Viren, die so reinkommen, sind besonders aggressiv.» Eine Infizierung könne Millionenschäden anrichten. Auf die Technik allein solle man sich aber nicht verlassen, sagt Umberto Annino: «Das Verhalten der Mitarbeiter ist eine klare Führungsaufgabe. Wenn Mitarbeiter ihre Zeit vertreiben wollen oder auf Pornoseiten möchten, finden sie immer Möglichkeiten. Der Arbeitgeber muss eine Kultur schaffen, in der klar ist, was zulässig ist – und was nicht.» Offensiv gefördert hat die Luzerner Regierung diese Kultur nicht. Sie hielt die Analyse unter dem Deckel. Nur wenige Eingeweihte kannten die Zahlen. Rudolphi erstaunt die Reaktion der Luzerner nicht: «Typisch. Man stellt einen Missstand fest und einigt sich dann auf ein paar kosmetische Massnahmen. Ich empfehle: obligatorische Schulung für alle Mitarbeiter und knallharte Konsequenzen bei Missbrauch.»

Übrigens, falls Sie beim Kanton Luzern arbeiten möchten: 22 Stellen sind zurzeit ausgeschrieben. Erwünscht ist «selbständiges, zuverlässiges und effizientes Arbeiten».