Frauen in der Regierung: Keine Damenwahl

Frauen Regierung

Erschienen im SonntagsBlick vom 12. April 2015

Von Florian Imbach

Kantonsregierungen bleiben auch im Wahljahr in Männerhand. Schuld seien die Parteien, sagen Politikerinnen.

Man stelle sich vor, die 154 kantonalen Regierungsrätinnen und Regierungsräte träfen sich zum Tanz. Die Veranstaltung dürfte rasch ins Peinliche kippen: 38 Frauen stünden 116 Männern gegenüber. Seit den 90er-Jahren dümpelt die Frauenquote in Kantonsregierungen um die 20-Prozent-Marke. Die Tessiner Regierung wird nach den Wahlen nächsten Sonntag wohl zum reinen Männerclub. Auch in Luzern droht die einzige Frau im zweiten Wahlgang gegen ihren männlichen Herausforderer zu verlieren.

In Zürich ist die Wahl der drei Kandidatinnen von FDP, SP und CVP diesen Sonntag alles andere als sicher. Rita Fuhrer (61, SVP) war 15 Jahre lang Regierungsrätin in Zürich. Sie galt auch lange als heisse Anwärterin für den Ständerat. Haben Frauen weniger Lust auf den Job? «Vielleicht», sagt Fuhrer. «Eine Frau überlegt sich zweimal, ob sie das Risiko eingeht und sich exponieren will.» Fuhrer mahnt: «Es ist wichtig, dass Frauen in der Regierung angemessen vertreten sind. Das ist für mich ein Gebot der Fairness.» Die politischen Ämter sollen ein Abbild der Gesellschaft sein.

Die tiefste Frauenquote hat die Familienpartei CVP

Politikerinnen beobachten die Entwicklung mit Sorge. Nuria Gorrite (44, SP) ist Baudirektorin des Kantons Waadt. Seit 2012 regiert sie in einer Frauenmehrheit. Das «Frauenproblem» in den Kantonen, sagt sie, sei ein «Parteienproblem»: «Es werden schlicht zu wenige Frauen aufgestellt.» Die Regierungsrätin fordert ein Umdenken: «Die Parteien müssen sich fundamental verändern. Sie müssen konsequent Frauen suchen, fördern und portieren.» Auch Fuhrer nimmt die Parteien in die Pflicht: «Die Parteien müssen von sich aus Frauen suchen, sonst geht es nicht. Das fängt bereits auf Bezirksstufe an.» Dort müsse man ansetzen, auf Frauen in der Partei zugehen und sie motivieren.

Konsequent im Resultat ist heute einzig die BDP, die gleich viele Frauen stellt wie Männer. Nahe an der Gleichberechtigung sind die Linken. Rund 45 Prozent der SP-und Grünen-Regierungsräte sind Frauen. Auch die FDP ist immerhin über dem Schnitt mit 26,8 Prozent. Düster sieht es bei den anderen bürgerlichen Parteien aus: vier Regierungsrätinnen stellt die CVP, die SVP deren drei.

Die tiefste Quote hat mit zehn Prozent die CVP. Was läuft dort schief? Babette Sigg (52), Präsidentin der CVP-Frauen sucht nach Antworten: «Möglicherweise gibt es bei uns in der Partei zu wenig Frauen, die bereit sind, diesen Schritt zu machen.» Ob die Kantonalsektionen der konservativen Partei auch genug Interesse an Frauen auf ihren Listen hätten, will sie nicht beantworten. Zu heikel. Sie spricht von einem «steinigen Weg»: «Das sind bittere Zahlen. Ich sähe gerne mehr Frauen in den Regierungen.»

Programm der FDP bringt gute Resultate

Was macht denn die ebenfalls bürgerliche FDP besser? FDP-Frauen-Generalsekretärin Claudine Esseiva (36) sagt, es brauche Investitionen, starke Frauen-Sektionen in den Kantonen und einen engen Austausch. «Die Frauen kommen nicht von selbst.» Die FDP finanziert als einzige bürgerliche Partei seit über zwölf Jahren eine eigene Geschäftsstelle für die Frauensektion. «Die Wahl in den Regierungsrat ist nur der letzte grosse Schritt», sagt Esseiva. «Die Arbeit beginnt viel früher. Wir müssen gute und ambitionierte Frauen gezielt in die Politik holen.» Die FDP-Frauen setzen dabei auf ein eigenes Mentoringprogramm: Erfolgreiche Politikerinnen coachen junge Frauen.

Frauen müssen sich viel mehr beweisen

Verändern Frauen die Arbeit im Gremium? Die Zürcher Regierung war 2003 bis 2006 in Frauenhand. Rita Fuhrer erinnert sich: «In der Sache entscheidet die politische Einstellung, nicht das Geschlecht. Da habe ich keinen Unterschied festgestellt.» Anders sei es bei «weichen Themen», so Fuhrer. «Bei Begnadigungen oder Rekursen haben Frauen eher Verständnis und Mitgefühl für eine Person in persönlicher Not.» Baudirektorin Gorrite sagt: «Wir diskutieren nicht anders, nur weil wir mehr Frauen als Männer sind.»

Aber: Frauen müssten sich viel mehr beweisen. «Einem männlichen Regierungsrat trauen Wähler automatisch viel mehr zu.» Und Frauen müssten sich kritische Fragen zu ihrem Privatleben gefallen lassen. «Nur wir Frauen müssen erklären, wie wir Familie und Arbeit unter einen Hut bringen.» Die Ironie der Ungerechtigkeit: Nur die drei Männer der Waadtländer Regierung haben noch Kleinkinder zu Hause. Die Frauen nicht.