Polizeikorps fichieren unkontrolliert

Erschienen in der SonntagsZeitung vom 27. April 2014

Von Florian Imbach

Bern In zahlreichen Kantonen fehlt eine wirksame Kontrolle der Polizeidatenbanken. Das Resultat: Die Zahl der Personeneinträge wächst unkontrolliert, und damit steigt die Gefahr, dass Unbescholtene ins Visier der Polizei geraten. Wird zum Beispiel jemand zu Unrecht verdächtigt, mit Drogen zu handeln, wird er noch Jahre später bei Polizeikontrollen auf Drogen angesprochen. Wenn die Datenbank nicht richtig kontrolliert und gepflegt wird, ist er dort als Dealer gespeichert, selbst wenn sich sein Verfahren längst in Luft aufgelöst hat.

In vielen Kantonen gelangen zudem Verdachtsmeldungen ins Polizeisystem. In Zürich etwa wurde die Teilnehmerin eines Fahrsicherheitskurses vom kantonalen Amt für Administrativmassnahmen zur «ärztlichen Überprüfung der Fahreignung» aufgeboten, nachdem ein Polizist ihr angeblich auffälliges Verhalten im System vermerkt hatte. Bruno Baeriswyl, Präsident der Vereinigung kantonaler Datenschützer, kritisiert diese Praxis: «Die Polizei nutzt die Datenbanken für Recherchen. Die Problematik dabei ist, dass wir aus unterschiedlichsten Gründen gespeichert sind. Das kann eine Anzeige sein, eine Zeugenaussage oder eine Hotelübernachtung.»

Nach dem Postüberfall Zürichberg vor einigen Jahren verdächtigte die Polizei eine Frau, die zwei Tage später auf der Filiale Geld einzahlte. Der Name der Frau tauchte danach bei den Ermittlern jedes Mal wieder auf, wenn sie die Datenbank nach Raubüberfallsdelikten durchsuchten.

Polzeikorps haben den Auftrag, Einträge auch wieder zu löschen

Recherchen der SonntagsZeitung zeigen nun erstmals das Ausmass der Personendaten in Polizeidatenbanken. Im Kanton Zürich sind über 1,7 Millionen Menschen bei der Polizei verzeichnet. In Bern sind es ebenfalls gut 1,7 Millionen, im Aargau 350 000. Das Bundesamt für Polizei hat rund 2,6 Millionen Personen verzeichnet. Das sind zusammen bereits weit über 6 Millionen Personeneinträge.

Die Polizeikorps haben den gesetzlichen Auftrag, ihre Daten intern zu pflegen und sicherzustellen, dass Einträge auch wieder gelöscht werden. Diese interne Kontrolle funktioniert aber nicht richtig. Die Kantonspolizeien Luzern, Waadt und St. Gallen konnten nicht einmal Auskunft darüber geben, wie viele Personen ungefähr in ihren Datenbanken erfasst sind. Baeriswyl sagt: «Die Polizei weitet die Datenbearbeitung ständig aus, bei den Kontrollmechanismen passiert aber nichts.»

Die externe Aufsicht sollte eigentlich durch kantonale Datenschützer wie Baeriswyl erfolgen. Ihnen fehlen aber die Ressourcen, um die stark wachsenden Polizeidatenbanken zu kontrollieren. Im Kanton Bern hat die externe Aufsicht nur ein Budget, um jährlich vier Systeme zu prüfen – in der gesamten Verwaltung mit über 40 Dienststellen und 22 000 Mitarbeitern. Baeriswyl spricht von einem Aufsichtsproblem. «Nur ein Drittel der Kantone ist überhaupt in der Lage, die Polizeidatenbanken zu kontrollieren.» Nur beim Bund scheint man die Datenbanken richtig im Griff zu haben. Der zuständige Datenschützer Hanspeter Thür stellt den Polizisten dort ein gutes Zeugnis aus, die internen Kontrollen seien angemessen.

Die Kantone arbeiten derweil daran, ihre ungenügend gewarteten Datenbanken untereinander sogar zu vernetzen. Mit dem Projekt «Harmonisierung Polizeiinformatik» wollen die Polizeidirektoren laut Programmauftrag einen «raschen Informationsaustausch» zwischen den Kantonen. Bereits nächstes Jahr soll dieser in Betrieb genommen werden.