Kasachen-Krake umschlingt Spitzenpolitiker in ganz Europa

Erschienen im SonntagsBlick vom 14. Juni 2015

Von Florian Imbach

Der Fall des kasachischen Lobbyings in der Schweiz ist offenbar nur ein Puzzleteil einer europäischen Offensive der kasachischen Regierung. Wie der «Spiegel» gestern berichtete, liessen sich auch deutsche, italienische, österreichische und spanische Politiker für die Interessen des kasachischen Despoten Nursultan Nasarbajew (74, Bild) einspannen. Dies zeige ein Datenleck der Wiener Kanzlei Lansky, Ganzger & Partner.

In der Schweiz spannte sich das Lobbynetz um die Burson-Marsteller-Frau Marie Louise Baumann (69). FDP-Nationalrätin Christa Markwalder (39) reichte für sie einen Vorstoss ein, der in Kasachstan mitgeschrieben wurde. Die Nationalräte Walter Müller (67, FDP) und Christian Miesch (67, SVP) liessen sich nach Kasachstan einladen.

Das Ausmass des «Kasachstan-Komplotts», wie der «Spiegel» titelte, ist in anderen Ländern noch viel grösser. Anwalt Gabriel Lansky (59) knüpfte demnach ein Netz hochrangiger Politiker, die sich in Europa für die kasachische Sache einsetzen sollten. Dabei ging es um richtig hohe Saläre. Österreichs Altbundeskanzler Alfred Gusenbauer (55) war Lanskys «Zugpferd». Er führte den aus einem kasachischen Staatsfonds finanzierten «internationalen Beraterkreis» an und soll dafür 400000 Euro pro Jahr kassiert haben. Gusenbauer holte den ehemaligen italienischen Ministerpräsidenten Romano Prodi (75) an Bord. Dessen Jahreshonorar betrug 300 000 Euro.

Auch der deutsche Altbundeskanzler Gerhard Schröder (71) zeigte Interesse. Für ihn waren 300 000 Euro vorgesehen. Nach einem Treffen im Dezember 2010 in der kasachischen Hauptstadt sagte er aber ab. «Aus sehr persönlichen Gründen», wie er dem kasachischen Ministerpräsidenten schrieb.

Anwalt Lansky soll für die kasachische Regierung im Hintergrund die Fäden gezogen haben. Der «Spiegel» zeigt ihn im Zentrum eines «Geflechts» der Freunde Kasachstans. Lanskys Name findet sich auch im E-Mail-Archiv, in dem sich die Hinweise auf Markwalders Rolle fanden. Kasachische Diplomaten tauschen sich über ein Gespräch «ihres Mannes» Prodi mit dem damaligen Präsidenten der Europäischen Kommission aus, José Manuel Barroso (59). Prodi weibelte bei Barroso für ein Treffen mit dem kasachischen Aussenminister. Der Kontakt zu Kasachstan lief über Lansky.

Während die Kasachen in der Schweiz die Auslieferung des Regimegegners Viktor Krapunow (66) erreichen wollten, ging es in Österreich um den ehemaligen Funktionär Rachat Alijew. Er fiel beim Regime in Ungnade, weil er Präsident werden wollte. Kasachstan wirft ihm vor, Folter und Morde in Auftrag gegeben zu haben. Im Februar erhängte er sich in österreichischer U-Haft.

Anwalt Lansky sagt gegenüber SonntagsBlick, er habe keine «Hatz» gegen Alijew veranstaltet, wie dies der «Spiegel» darstelle. Seine Kanzlei habe Angehörige mutmasslicher Opfer Alijews vertreten. Seine Verpflichtung als Opferanwalt habe «nicht das Geringste» zu tun mit der Beratergruppe um Gusenbauer. Zu den Geldbeträgen nehme er keine Stellung, «mit Ausnahme der grundsätzlichen Feststellung, dass diese stets marktkonform waren».